Ebon Rih

Marian bemühte sich darum ruhig zu bleiben. Natürlich machte sie sich sorgen um ihre Kinder, doch letztendlich wusste sie, dass es ihnen gut ging. Andernfalls würde sich das gesamte Schattenreich der Wut und dem Zorn von Hexe stellen müssen.

Sie wusste immer noch nicht, was genau passiert war, nur, dass Lucivar ganz pl?tzlich vom Tisch aufsprang und wild fluchte. Er bemühte sich nicht um Erkl?rungen, sondern lief ungeduldig auf und ab, bis ein halber Rudel verwandter W?lfe an Horst ankam. Er gab ein paar Befehle über den m?nnlichen Speerfaden, küsste sie zum Abschied, schwang sich auf den Schwarzgrauen Wind und verschwand in Richtung der Burg. Die W?lfe weigerten sich über das was vor sich ging zu reden. Also blieben die beiden Frauen im Ungewissen, bis Lucivar wieder auftauchte.

?Es ist alles gut", meinte er. ?Wir hatten kurzfristig die Kinder aus den Augen verloren, aber jetzt sind alle in Sicherheit." Er schien etwas zu verschweigen und Marian war sich sicher, dass er ihr nichts sagen würde, also nahm sie sich vor gleich an die Quelle zu gehen. Zur Jeanelle. Ihr Vorhaben wurde überraschenderweise von Lucivar selbst unterstützt.

?Packt ein paar Sachen ein", meinte er zur ihr und Gemma. ?Der H?llenfürst und die Lady, wollen euch auch auf der Burg haben." Marian nickte nur. H?llenfürst und die Lady. Nicht Seatan und Jeanelle. Eine offizielle Angelegenheit. Als Marian aufstehen wollte, schüttelte Gemma den Kopf.

?Bleib sitzen, Marian. Ich werde alles N?tige zusammenpacken." Die Eyerrin nickte nur. Im Augenblick war sie dankbar, dass sie sich nicht bewegen musste, denn der Boden drohte unter ihren Fü?en zu verschwinden.

Gemma dagegen war dankbar, dass sie ihr Zittern nicht verbergen musste, denn die Vorstellung dem H?llenfürsten und Hexe zu begegnen, versetzte sie in Angst und Schrecken.

Burg SaDiablo

Sie kamen alle gemeinsam an und die Burg verwandelte sich in ein aufgewühltes Wespennest. Surreal betrachtete das wilde Durcheinander aus halb verschlafenen, halb verlegenen Kindern, denen immer noch eine Spur Angst anhaftete, den verwandten Wesen und den vielen gereizten Erwachsenen. Im Augenblick waren die nur im Weg, beschloss sie und zog Davin entschieden aus der ?Gefahrenzone".

?Wir gehen lieber irgendwohin, wo wir so lange wie m?glich niemandem auffallen", meinte die Frau. ?Im Augenblick ist es sicherer das Heil in der Flucht zu suchen." Der Stolz eines Kriegerprinzen, verbot Davin die Flucht, aber Surreal duldete keine Widerrede und so musste der Kriegerprinz sich fügen. Au?erdem war er durch das Erscheinen der Kinder und vor allem durch das Erscheinen der gereizten Kriegerprinzen und Hexe aus dem Gleichgewicht gebracht. Er erhaschte etwas Verlockendes, einen flüchtigen mentalen Ruf, der sich fast sofort in den Resten der kalten Wut aufl?ste, doch er konnte nicht zuordnen, wem diese verlockende Signatur geh?rte. Da es hie?, dass niemand in n?chster Zeit die Burg verlassen würde, hoffte er ein wenig sp?ter in aller Ruhe nach dieser Signatur zu suchen.

Sie schlüpften in den erstbesten Raum und schlossen die Tür hinter sich. Davin lie? einige Kugeln Hexenlicht in die H?he schweben, um den dunklen Raum zu beleuchten. Ihm stockte der Atem. Die W?nde des Zimmers waren … nein, sie waren nicht bemalt. Das, was die W?nde schmückte war mehr als nur Malerei. Die Wand gegenüber der Tür bildete eine grüne Baumlandschaft ab. Jede Einzelheit war detailgetreu und liebevoll gezeichnet, die Landschaft schien zu leben – ein Illusionszauber lie? das Gras und die Baume langsam im Wind schaukeln. Ein bunter Vogel huschte über das Bild und verschwand in dem endlosen blauen Himmel. Das Bild war buchst?blich zauberhaft. Davin sah zur Surreal und stellte fest, dass sie genau so atemlos da stand wie er selbst.

?Dort sieht es immer noch genau so aus", flüsterte sie.

?Wie bitte?", fragte Davin erstaunt. Surreal kante diesen Ort? Es war also keine Künstlerphantasie, sondern der Abbild einer echten Ortschaft? Aber wo konnte man einen solchen Ort finden?

?Das sind die W?lder der Dea al Mon", antwortete sie, als h?tte sie seine Frage tats?chlich geh?rt. ?Dort drüben, hinter den Hügeln steht das Haus meiner Familie", Surreal stockte und sah zur Davin, der sie verwundert anstarrte.

?Meine Mutter war eine Dea al Mon", erkl?rte die Hexe unwillig. Wenn sie schon mit diesem Mann arbeitete, dann sollten ihm ein paar Dinge von Anfang an klar sein. Davin wusste nicht, was er erwidern sollte. Als er nichts erwiderte zuckte Surreal leicht mit den Schultern und wandte sich den anderen Bildern zu. Sie alle waren kleiner, als das erste, aber genau so kunstvoll verzaubert. Surreal wusste, was sie vor sich sah, die Bilder der Heimatterritorien der M?dchen aus dem Hexensabbat. Einige dieser Orte, hatte seit Jahrtausenden kein Mensch betreten. Es waren einzigartige Einblicke in wunderbare Welten.

?Diese Bilder sind… einzigartig", sagte Davin endlich, als die Stille ihn zu erdrücken drohte. ?Wer hat sie gemalt?" Surreal musste schlucken. Diese Macht! Diese wunderbare Macht! Wie gern w?re sie dabei gewesen! Wie gern h?tte sie zugesehen, wie aus den M?dchen die K?niginnen wurden, die sie schon seit Jahren kannte!

?Jeanelle und ihre Freunde", antwortete sie halblaut. ?Sie haben hier auf der Burg früher viel Zeit verbracht. Das hier muss eins ihrer Krawallzimmern sein." Wie gern w?re Surreal zu dieser Zeit hier gewesen! Wie gerne h?tte sie beobachtet, wie diese gro?artige Kunstwerke entstanden….

?Krawallzimmer?", fragte Davin verwundert und Surreal musste lachen. Sie hatte die Bezeichnung mal von Seatan geh?rt und sie fand, dass es eine gute Beschreibung dessen bot, was die Kinder hier auf der Burg veranstaltet hatten. Sie kannte Jeanelle und ihre Freunde mittlerweile gut genug, um sich vorstellen zu k?nnen, was die entfesselte Kraft dieser Bande einrichten konnte. Davin sah Surreal fasziniert an. Das Lachen verwandelte diese Frau vollkommen. Aus einer Kriegerin war pl?tzlich eine Hexe geworden. Unerwartet ging die Tür auf und ein eyerisches M?dchen betrat den Raum. Surreal lief sofort zu ihr und das M?dchen fiel ihr in die Arme. Davin dagegen erstarrte. Dieses zerbrechliche Wesen, das Saphir trug und in Surreals Armen Trost suchte, ein kleines M?dchen, dass verwirrt und ver?ngstigt wirkte, dieses Kind war seine K?nigin! Es ihre Signatur, die er so flüchtig erfasst hatte! Es gab keinen Zweifel daran und Davin brauchte keine andere Best?tigung, nur die Anwesenheit dieses M?dchens. Als er zu sich kam, merkte er, dass er aufmerksam beobachtet wurde. Das M?dchen sah ihm direkt in die Augen und Surreal beobachtete die beiden mit leichter Besorgnis.

?Wer bist du?", fragte das M?dchen und Davin sank vor ihn auf die Knie, um auf einer H?he mit ihr zu sein und um seine zitternde Beine zu verbergen.

?Ich bin Davin", antwortete er. ?Ich bin für Ihre Sicherheit verantwortlich, Lady." Immer noch sah sie ihn aufmerksam an. Der Blick ihrer goldenen Augen drang direkt in sein Herz hinein. Dann – und das kam Davin wie ein Wunder vor – l?chelte sie zaghaft.

?Ich bin Tavian. Aber du kannst mich Tavi nennen." Er erwiderte das L?cheln.

?Abgemacht." Das M?dchen l?chelte noch mal und wand sich wieder Surreal zu. Die beiden unterhielten sich, doch Davin h?rte nicht zu. Das Gefühl, das ihn beherrschte war zu überw?ltigend, als dass man es beschreiben konnte. Dann spürte er eine sanfte Berührung und zwang sich zu konzentrieren.

?Ich denke wir sollen lieber nach oben gehen", schlug Tavian vor. ?Ich stelle euch den anderen vor." Surreal nickte. Sie kannte zwar die M?dchen aus dem Hexensabbat und die Jungs aus dem Ersten Kreis ganz gut, aber ihre Kinder, besonders die jüngeren, kannte sie nur aus Erz?hlungen. Zusammen mit Davin, der pl?tzlich wie ausgewechselt wirkte, gingen sie durch die verworrenen Flure der Burg zu dem Bereich in den irgendwann einmal die Kinder gelebt hatten, als sie Jeanelle besuchten. Sie alle fanden sich in Mephis' Zimmer zusammen, der immer noch schlief.

Als Davin den Raum betrat richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit aller Jungs augenblicklich auf ihn und er musste sich beherrschen, um sich nicht schützend vor Tavian zu stellen. Mit einer ganz natürlichen Bewegung berührte Tavian ihn an der Hand, so als ob sie die Gewalt, die in der Luft lag nicht bemerken würde.

?Das ist Davin", sagte sie mit der ruhigen Stimme einer K?nigin, die mit ihrem Hoffstatt sprach. ?Er ist mein neuer Freund." Die Spannung fiel deutlich ab. Daemonar senkte den Kopf, als Zeichen dafür, dass er mit dieser Entscheidung einverstanden war. Er wusste, dass er früher oder sp?ter damit anfangen musste, Tavian mit anderen M?nnern zu teilen. Seth, Kamis und Mephis waren schon l?nger ein Teil seiner Familie, so dass er sie nicht als Konkurrenten betrachtete. Doch das Erscheinen eines neuen Kriegerprinzen war eine ganz andere Sache. Doch da Tavian ihn anerkannte, gab es für die anderen M?nner gar keine andere Wahl.

?Das ist mein Bruder Daemonar", stellte Tavian vor. ?Und das", sie deutete auf das Bett, ?mein Cousin Mephis." Surreal kante natürlich die beiden. Sie setzte sich zur Mephis an Bett und nahm seine Hand in ihre. Er murmelte etwas verschlafen.

?Ihm geht es gut", erkl?rte ein Junge, der ganz unverkennbar ein Kind des Waldes war. Surreal erkannte in ihm bekannte Züge.

?Du bist Kamis, nicht war?", fragte sie und er Junge l?chelte. ?Und Sie sind Tante Surreal."

Die Frau verzog das Gesicht. Für Gabrielle und Chaosti war sie ein Teil ihre Familie und somit Tante Surreal.

?Nenn mich blo? nie wieder Tante Sureall", warnte sie halb ernst, halb belustigt. Kamis l?chelte. Das junge M?dchen neben ihm sah ihm so ?hnlich, dass an ihrer Identit?t kein Zweifel bestehen konnte.

?Und du bist Marion", stellte Surreal fest. ?Du siehst deiner Mutter sehr ?hnlich." Das M?dchen l?chelte verlegen und versteckte sich hinter ihrem Bruder. Die anderen Kinder im Raum kannte sie nicht, auch wenn ihre Gesichtszüge irgendwie vertraut wirkten. Tavian, ging durch den Raum und stellte die anderen Kinder vor.

?Das sind Seth und Alia, sie kommen aus Scelt", sagte sie und blieb neben einem jungen Krieger mit Opal stehen. Er war dünn und hatte langes schwarzes Haar, seine warmen brauen Augen schauten von Davin zur Surreal und wieder zurück. Seine Schwester stand daneben und klammerte sich an die Hand ihres Bruders. Die hellbraunen Augen wirkten verschlafen.

?Ich wette ihr seid nicht einfach so hier", meinte Seth herausfordernd. ?Sollt ihr die Kinderm?dchen für uns spielen?" Davin l?chelte tr?ge. Der Welpe hatte Mumm.

?Wenn du damit ein Problem hast, kannst du dich gern an den H?llenfürsten wenden", erwiderte er. ?Ich bin mir sicher er l?sst gern mit sich reden, so kurz nachdem seine Enkelkinder angegriffen worden sind." Seth erbleichte und senkte den Kopf. Davin fing einen amüsierten Blick von Surreal auf. Tavian dagegen verpasste Seth einen Schlag auf den Oberarm, worauf er sie halbherzig anknurrte.

?Sei nicht so vorlaut! Die beiden sind hier, weil Gro?vater sich Sorgen macht. Genau so wie Tante Jeanelle und alle anderen hier." Seth nickte.

?Ich weis ja", sagte er kleinlaut. ?Kommt so bald nicht wieder vor." Tavian verdrehte die Augen und ging zu dem M?dchen herüber, das schweigsam am Fenster stand.

?Das ist Lohra", stellte sie die junge Frau vor. ?Sie kommt aus Nharkhava." Surreal musste blinzeln, denn Alia sah ihrer Mutter Kalusch zum verwechseln ?hnlich.