Als die Sonne langsam über L?wenstein aufging und es nach und nach heller und lauter in der Stadt wurde, wurde Nuriel mit einem energischen Klopfen unsanft aus dem Schlaf gerissen. ?berrascht und verwirrt setzte sie sich im Bett auf, wobei sie sich den Kopf noch am Regal darüber stie? und einige kleine Gegenst?nde auf sie und das Laken purzelten. Wie so oft schwor sie sich, vor der n?chsten Nacht endlich aufzur?umen, doch wie so oft zweifelte sie schon Augenblicke sp?ter an ihrer Motivation. Murrend rieb sie sich den Schlaf aus den Augen und wandte den verschwommenen Blick zum Fenster, aus dem bereits helles Tageslicht hineinstr?mte. War es denn wirklich schon so sp?t? Es war ungew?hnlich, dass Nuriel so lange schlief, doch sie schob es darauf, in der vergangenen Nacht erst so sp?t zu Bett gegangen zu sein.

Mit noch brüchiger Stimme rief sie ?Komme gleich!", sprang aus dem Bett und schüttete sich mit den Handfl?chen etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Dann zog sie schnell ein frisches Gewand über, nahm Tasche und Dolche und stopfte sich im Gehen noch einige Kekse vom gestrigen Abend in den Mund. Noch immer kauend riss Nuriel die Tür auf und schenkte Silencia, die etwas zur Seite trat um ihr Platz zu machen, ein breites, wenn auch verschlafenes Grinsen. ?Guten Morgen! Habt Ihr die Nacht gut geschlafen?"

Ein blo?es ?Ja." war die Antwort, als die Sylvari die Tür hinter sich zuzog. Sie war bereits geübt darin, den Griff mit genau der richtigen Kraft anzuheben, damit das Schloss tats?chlich zuschnappte, und kicherte nur über Silencias Reaktion. Beinahe hatte sie vergessen, wie sonderbar die Menschenfrau doch war! Doch diese hielt sich nicht weiter mit Erkl?rungen auf, sondern gab gleich eine Frage zurück. ?Was genau macht die Kru von Ronnée?"

?Nun, die Cybernetics-Kru stellt Prothesen aller Art her. So wie diese hier!" W?hrend Nuriel den Gast die steinernen Stufen hinab führte, hob sie ihr Gewand leicht an und offenbarte dabei ihren rechten Fu?, der komplett aus einem filigranen Metallgebilde bestand, dessen Einzelteile sich so reibungslos im Einklang miteinander bewegten, als w?re es ein echter Fu?.

?Die besten Prothesen weit und breit, m?chte ich mal anmerken. Deswegen glaube ich nicht, dass sie die richtige Anlaufstelle sind, wenn es um Versuchskaninchen geht. Es sei denn, Ihr wollt Euch Gliedma?en abhacken lassen, um dann neue Prothesen für die Kru auszuprobieren." Noch w?hrend sie den Satz aussprach, h?tte Nuriel sich am liebsten selbst dafür verflucht, denn bei dieser Frau konnte man nie wissen, ob sie den Rat nicht sogar befolgen würde. Tats?chlich betrachtete Silencia die Prothese erstaunlich lange, bevor Nuriel ihr Gewand wieder fallen lie? und sich erneut in Bewegung setzte.

?Ich verstehe zu wenig von dieser Technik, um beurteilen zu k?nnen, wie gut ich als Versuchsobjekt für derartige Prothesen geeignet w?re, aber es w?re vielleicht einen Versuch wert. Stellt die Kru auch Alternativen für andere Dinge als nur Gliedma?e her?"

Nuriel hatte w?hrend des Abstiegs zwar nicht immer ein Auge auf Silencia, doch sie spürte, dass die Nekromantin zwischendurch kurz innehielt. Aber der Augenblick hielt nicht lange genug an, um einer Erw?hnung würdig zu scheinen, und Nuriel steuerte schlie?lich mit einem Seufzen auf die Stra?en und Gassen L?wensteins zu. ?Nicht, dass ich wüsste. Das müsst Ihr sie aber am besten selbst fragen, denn ich komme lediglich wegen meines Fu?es dorthin." Meinte sie, w?hrend sie die Menschenfrau durch die Massen der unabh?ngigen Stadt hindurch lenkte. Beinahe brachte es sie zum Kichern, dass sie es hier mit einem Menschen zu tun hatte, dem wirklich alles egal zu sein schien.

?Und Ihr wollt den langen Weg nehmen, richtig?", erkundigte sich die Sylvari noch einmal sicherheitshalber. ?Ich habe kein Geld für die Portale und k?nnte – falls das erforderlich sein sollte – auch meine Identit?t nicht nachweisen. Ich kann die Portale also nicht benutzen. Jedenfalls nicht ohne Ronnée."

Nuriel spürte kurz Silencias Blick auf sich ruhen, w?hrend diese sprach, doch ihre Worte machten die Sylvari stutzig, und überrascht blieb sie stehen. ?Weshalb? Nicht nur Asura k?nnen Portale benutzen – auch ich kann Euch hindurch bringen. Zwar nicht unendlich oft, da ich nicht besonders viel Geld besitze, aber auch ich habe eine Genehmigung, die mir das Portalreisen erm?glicht. Dieses eine Mal werde ich Euch hindurch bringen k?nnen, danach sollten wir Euch aber schleunigst nach G?tterfels bekommen, damit Ihr Euch dort registrieren lassen k?nnt. Das macht es Euch vor allem in Zukunft wesentlich einfacher."

Bis zu diesem Punkt hatte sie bewusst den Weg in Richtung Gendarran Felder eingeschlagen; da die Portale zu den Hauptst?dten aber in einer v?llig anderen Richtung lagen, wartete sie, bis Silencia eine Entscheidung traf. Nuriel wollte nicht unn?tig durch die ganze Stadt laufen müssen, und wenn Silencia wirklich nur wegen eines Missverst?ndnisses die Portale hatte meiden wollen, würden sie wom?glich doch den schnellen Weg nehmen k?nnen.

?Das war mir nicht klar." Silencia blieb neben Nuriel stehen und sah diese mit ihrem ausdruckslosen Blick an. ?Dann w?re es wohl deutlich einfacher, wenn wir das Portal nehmen würden. Ob ich mich aber in - G?tterfels - registrieren lassen kann, wage ich zu bezweifeln, schlie?lich sollte ich gar nicht hier sein."

?Nun gut, dann machen wir es so! Und wegen der Registration solltet Ihr Euch keine Sorgen machen. Meldet Euch dort einfach als Flüchtling aus Cantha, der auf der Flucht seine Papiere verloren hat. Dann werdet Ihr alles bekommen, was Ihr ben?tigt – auch wenn es etwas Zeit in Anspruch nehmen kann." Durchaus erleichtert wegen dieser Wendung setzte sich Nuriel in Bewegung und bemerkte im gleichen Augenblick, dass Silencia wieder etwas schwankte, als diese ihrem Beispiel folgen wollte. Schon streckte sie die Hand aus, um der Frau zu helfen, hatte aber gerade die Schulter berührt, als Silencia sich anscheinend wieder gefangen hatte.

?Alles in Ordnung bei Euch?" Fragte Nuriel mit ehrlich besorgter Stimme, setzte sich aber wieder in Bewegung, als klar war, dass Silencia nicht hier und jetzt die Besinnung verlieren würde. Was, wenn Grenth gerade jetzt beschlossen hatte, sie zu sich zurückzuholen? Nuriel wusste nur wenig über diese Frau, aber sie hatte bereits begriffen, dass sie im Umgang mit Silencia wohl mit allem rechnen musste.

Silencia blickte noch kurz irritiert geradeaus, ehe sie ihren Weg fortsetzte und leicht den Kopf schüttelte. ?Kurz war es, als h?tte meinen K?rper alle Kraft verlassen, aber jetzt scheint alles wieder normal zu sein. Vielleicht sind das schon die ersten Anzeichen…" Sie machte eine kurze Pause. ?Wer wei?, wie lange es dauern wird, bis meine Existenz endgültig vorbei ist. M?glicherweise ist es ein langwieriger und schleichender Prozess und kein abruptes Ende."

Die emotionslose Art, mit der Silencia von ihrem eigenen Tod sprach, war Nuriel nicht ganz geheuer und da sie nicht recht wusste, wie sie auf das Thema reagieren sollte, schwieg sie. Einige Zeit lang liefen die beiden Frauen einfach nur nebeneinander her, bis sie sich dem Tor n?herten, das sie zu den Portalen führen würde, und schlie?lich ergriff Nuriel das Wort. ?Das w?re recht nervig, nicht? Dann doch lieber ein schnelles Ende, zumal es bei Euch nicht einmal schmerzen würde."

Sie trat zu dem Portalw?chter, den sie zu ihrem Leidwesen bereits viel zu oft hier gesehen hatte, und wechselte ein paar Worte mit ihm, bis er einen mürrischen Blick auf Silencia warf und dann die Marke betrachtete, die Nuriel aus ihrer Tasche gezogen hatte. Mit einem Nicken bedeutete sie der Menschenfrau, dass sie nun passieren dürften, und beantwortete das ?Aber nicht schon wieder das Guthaben überziehen!" des W?chters nur mit einem übertrieben freundlichen Grinsen, das offensichtlich so viel bedeutete wie Bitte sterbt demn?chst bei einem ganz tragischen Unfall, ja? Danke!

Wirklich, sie hasste diesen W?chter. Das Gute an ihm war allerdings, dass er, obwohl er Nuriel offensichtlich nicht leiden konnte, kleinere Verst??e ohne gro?e Meckerei durchgehen lie?, wenn diese für ihn keinen Mehraufwand bedeuteten. Noch w?hrend Nuriel die Rampe zum Portal hinauflief, war der W?chter bereits wieder damit besch?ftigt, einen h?sslichen Pickel auf seinem Oberarm zu betrachten. Sie wandte den Blick ab, bevor er dazu übergehen konnte, den Pickel auszudrücken, und ging Silencia voran durch die wabernde Masse des Portals. Sofort schlug ihr die hei?e, feuchte Dschungelluft der asurischen Hauptstadt entgegen, zusammen mit dem L?rm, der dem in L?wenstein gleichte und bei einer derart gro?en Stadt nicht wegzudenken war.

Silencia schien sich eine Zeit lang sammeln zu müssen, zumindest starrte sie einige Herzschl?ge lang ins Nichts und Nuriel wagte nicht, sie anzusprechen, bis sie selbst den Mund ?ffnete. ?Es ist nicht so, als k?nnte ich keinen Schmerz spüren. Bei mir bleibt nur die Reaktion auf das natürliche Warnsignal des K?rpers – welches der Schmerz in der Regel ist – aus. Ich empfinde keine Angst oder Wut, wenn mein K?rper Schmerz leidet; ich denke, das w?re bei mir auch zwecklos – schlie?lich habe ich kein Leben in meinem K?rper und auch keinen Willen, dieses um jeden Preis zu schützen.", beantwortete die Nekromantin Nuriels Einwand, ganz so, als w?re ihr Gespr?ch nicht durch die Portalreise unterbrochen worden.

Etwas überrumpelt starrte Nuriel die Menschenfrau einfach nur an und wartete, bis ihr Kopf die Worte vollst?ndig verarbeitet hatte. ?Euer Zustand gef?llt mir ganz und gar nicht. Und für mich seid Ihr immer noch am Leben, egal ob nun Blut in Euch flie?t oder nicht. Solange Ihr mit mir redet, lebt Ihr. Basta."

Bevor sie weitergingen, betrachtete Nuriel Silencia noch eine Weile, um sich zu vergewissern, dass sie in der Lage war zu laufen. ?Wenn Euch das Portalreisen so zu schaffen macht, bringe ich Euch weitgehend zu Fu? nach G?tterfels. Wir müssen zwar durch ein Portal, um diese Stadt wieder zu verlassen, aber von L?wenstein aus k?nnen wir über die krytanischen Gebiete recht schnell nach G?tterfels gelangen. Aber nun erst mal zum Cybernetics-Labor."

Zielsicher führte die Sylvari sie einige Rampen hinunter, bis das Tageslicht nur noch sp?rlich durch die wenigen ?ffnungen brach und die Umgebung des inneren Würfels weitgehend von künstlichem Licht erhellt wurde. Für Nicht-Asura mochten die Lautst?rke und der Geruch im Inneren ?u?erst befremdlich wirken: es war stickig und die Luft roch f?rmlich nach tausenden ungesunden Stoffen, die in den etlichen Explosionen in die Atmosph?re geschleudert wurden. Und von denen gab es einige; immer wieder knallte und rauchte es in irgendeinem der Labore, mal nur ein kleiner Brand auf einem Tisch, mal stand der ganze Raum in Flammen. Für die Asura hier war das allerdings selbstverst?ndlich, und auch Nuriel lie? sich davon nicht beirren. Sie war oft genug zu Besuch bei der Kru gewesen, um mit dem allt?glichen Chaos der Stadt vertraut zu sein.

An einer Tür, die eigentlich nicht von den anderen zu unterscheiden war – sie war genauso aus feuerfestem Stahl, nur mit anderen asurischen Zeichen darauf -, klopfte Nuriel mehrmals fest an, bevor sie die Tür ?ffnete. In dem Raum selbst war es noch stickiger als drau?en, hei?e metallische Luft str?mte den beiden Frauen entgegen, und vier asurische Augenpaare starrten sie an, eines davon von Ronnée. Es war jedoch nicht sie, die als erste das Wort ergriff, sondern ein m?nnlicher Asura mit braunen Haaren, die zu allen Seiten auf unm?gliche Weise abstanden. Er hatte ein rotes und ein grünes Auge, die gebannt auf Silencia gerichtet waren, und kurze Shorts entbl??ten ein Bein, das komplett durch Metall ersetzt worden war. Er war Kekk, der Leiter der Kru, und Nuriel hatte mit ihm schon unz?hlige Gespr?che geführt, die sich haupts?chlich um den Preis ihrer Prothese gedreht hatten. Dieser Mann war der Meister der Verhandlungen, aber in Nuriel hatte er einen ebenbürtigen Gegner gefunden. ?Oh? Wen bringt Ihr uns da mit, Nuriel? Neue Kundschaft?"

Nuriel wollte gerade etwas erwidern, da trat Silencia bereits vor. ?Mein Name ist Silencia Cassandra. Ronnée und ich haben uns gestern bereits kennen gelernt und ich-" sie zuckte kaum merklich mit den Schultern, ?wollte mich als Testsubjekt zur Verfügung stellen, falls Ihr eines braucht. Arme und Beine habe ich allerdings alle noch."

?Herzlichen Glückwunsch, da seid Ihr die einzige hier im Raum." Kommentierte Meppo, ein etwas ?lterer Asura mit bereits gr?ulichen Haaren trocken, w?hrend er eine der beiden identischen Handprothesen hochhob, die er vor sich liegen hatte. Die Frau neben ihm – seine Frau Varna, wie Nuriel wusste – legte ihm eine Hand auf die Schulter und lachte herzhaft über das, was anscheinend ein Witz seinerseits gewesen war. Ronnée schnaubte nur, drehte sich auf ihrem Stuhl so, dass sie den Neuank?mmlingen zugewandt war, und murmelte ?Testsubjekt, na sowas. Für was genau, wenn ich fragen darf?"

W?hrend die Asura sprachen, schloss Nuriel behutsam die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen, w?hrend sie mit hochgezogenen Augenbrauen die Situation beobachtete. Sie kannte die Kabbeleien der Kru, war aber dennoch unsicher, wohin dieses Gespr?ch führen würde. Sie sah zu Silencia, welche das Paar ignorierte und sich direkt an Ronnée wandte.

?Ihr sagtet gestern etwas von Asura, die es interessant f?nden, die Eigenschaften meines K?rpers zu erforschen." Nun blickte sie wieder zu Kekk, der sie ebenfalls mit offener Neugierde betrachtete. ?Aber mir kam auf dem Weg hierher noch eine andere Idee. Stellt Ihr nur Ersatz für Gliedma?en her? Oder m?glicherweise auch für… kompliziertere Sachen?"

Der zweifelnde Tonfall, den Silencia an den Tag brachte, lie? Nuriel kichern. Versuchte die Menschenfrau wirklich, Kekk von ihrem Vorhaben zu überzeugen, indem sie ihn glauben lie?, sie traue ihm solche F?higkeiten nicht zu? Schlauer Zug, das musste man ihr lassen! Denn damit hatte Silencia es natürlich vollkommen auf den Punkt getroffen. Kekk sprang von seinem Stuhl auf und trat ein paar Schritte auf die Frau zu. Dabei versuchte er wohl, m?glichst gelassen zu wirken, doch sein K?rper verriet deutlich, dass er durchaus aufgeregt war. Natürlich, denn neue Herausforderungen bedeuteten immer eine M?glichkeit zu beweisen, dass man besser und schlauer war als andere Krus, und von Ronnées Erz?hlungen wusste Nuriel, dass die Cybernetics einen Aufschwung immer mit offenen Armen empfing.

?Bisher nur Prothesen für Gliedma?en", antwortete Kekk, ?doch niemand sagt, dass das unsere Grenze ist! Was genau schwebt Euch vor, wenn ich fragen darf?"

Im Vergleich zu Kekk schien Silencia nicht nur vorzugeben, ruhig zu sein. ?Ich dachte eher an so etwas wie Organe. Augen, Stimmb?nder oder vielleicht-" sie machte eine Pause, in der sie sich der Aufmerksamkeit aller Anwesenden sicher sein konnte – ?ein Herz."

Fassungslos starrten die Krumitglieder sie an – alle bis auf Ronnée. Diese hatte die Mundwinkel zu einem leichten L?cheln hochgezogen, w?hrend ihr Blick sich irgendwo in der Ferne verlor. ?Warum eigentlich nicht? Wir erschaffen Golems, die selbstst?ndig denken, Gliedma?en, die besser funktionieren als normales Fleisch und Blut – sogar künstliche Gehirne, die in der Lage sind, Emotionen nachzuahmen! Warum sollte es uns dann nicht gelingen, ein Herz zu kreieren? ?berlegt doch mal, das w?re der Durchbruch für die Kru!"

Dass Silencia nach so etwas fragte, konnte nur eines bedeuten: Die Menschenfrau wollte leben, und sie konnte Nuriel nichts anderes vormachen. Und wie das Schicksal oder der Zufall es wollte, war sie scheinbar an genau diejenigen geraten, die mutig oder t?richt genug waren, sich gegen das Werk eines Gottes zu stellen.

Kekk lief ein paar Schritte auf und ab, sichtlich besch?ftigt mit dem pl?tzlichen Umschwung.

?Ihr wollt das also wirklich durchziehen, ja?" Sagte er, an Ronnée gewandt, und in seinem Blick lagen Unmengen an Zweifel. Ronnée starrte zurück, ein begeistertes Funkeln in den Augen. ?Natürlich! Wir machen Prothesen, die Muskeln und Fleisch eines fehlenden Gliedma?es ersetzen. Und ein Herz ist nichts anderes als das: Muskeln und Fleisch! Warum sollte es uns nicht gelingen, so eines nachzubauen? Mit der richtigen Energiequelle…"

Sie wurde von einem heftig gestikulierenden Kekk unterbrochen. ?Wer soll das bezahlen? Ist Euch bewusst, wie teuer so ein Vorhaben sein wird?"

?Dann nehmen wir einen Kredit auf. Das mussten wir bisher noch nicht, warum sollte die Bank es uns verwehren? Und wenn wir Erfolg haben und das Patent auf ein künstliches Herz anmelden k?nnen – dann k?nnen wir den Kredit zehnfach zurückzahlen!"

Nun stiegen auch Varna und Meppo in die hitzige Diskussion mit ein, aber es war klar, dass die Kru sich letztendlich wohl dafür entscheiden würde. Nuriel hatte das Geschehen l?chelnd beobachtet und blickte nun zu Silencia, die zwar nicht unbedingt stolz schien, aber sie machte doch den Eindruck, als würde sie aufrechter stehen. M?glicherweise waren sogar ihre Mundwinkel ein klein wenig h?her als sonst?

Mit ged?mpfter Stimme wandte Silencia sich nun an Nuriel. ?Was denkt Ihr? Habe ich das richtige getan?" Nuriel nickte. ?Ja, das habt Ihr. Hoffen wir, dass die Kru erfolgreich ist, bevor Grenth sich dazu entschlie?t, Euch zu holen."

Bei diesen Worten sah die Nekromantin gedankenverloren an der Pflanzenfrau vorbei. ?Ich habe kein Verm?gen und keinen Besitz, aber ich kann meine Arbeitskraft nutzen um Geld zu verdienen und die Kru auf diese Weise bei der Arbeit zu unterstützen." Zumindest, solange Euer K?rper nicht den Dienst verweigert, fügte Nuriel in Gedanken hinzu. Silencia schien tats?chlich motiviert, der Kru bei ihren Forschungen zu helfen, doch dann zuckte sie mit den Schultern. ?Wenn es nicht klappt, dann sollte es nicht sein. Niemand kann seinem Schicksal entgehen."

Die Disskussion der Asura ebbte ab, als Kekk schlie?lich nickte - wenn auch etwas z?gerlich - und sich dann an Silencia wandte. ?Gut, wir k?nnen es versuchen. Aber weder kann ich Euch versprechen, dass es Erfolg haben wird, noch wei? ich, wie lange es dauern k?nnte. Zu Beginn brauchen wir die Baupl?ne eines Herzens, und zwar die eines menschlichen."

?Einen solchen Bauplan werden wir in Rata Sum nicht bekommen; unsere Archive beherbergen nur Schriften über asurische Biologie." Warf Varna ein, doch Nuriel winkte dies nur ab. ?Silencia wird ohnehin nach G?tterfels reisen, um sich dort registrieren zu lassen, dann k?nnen wir uns auch gleich umsehen, ob es dort etwas Brauchbares für Euch gibt."

Silencia bedachte Nuriel mit einem offensichtlich skeptischen Seitenblick. ?Ich halte es für keine gute Idee, nach G?tterfels zu gehen. Kann ich mich nicht auch in L?wenstein registrieren lassen? Dort leben doch auch Menschen, oder?" Sie sah die Sylvari direkt an. ?Und - gibt es in L?wenstein oder der Umgebung Gilden, die an Kopfgeldj?gern interessiert sind? M?glicherweise kann ich auf diesem Weg nicht nur Geld, sondern auch eine perfekte Schablone für ein menschliches Herz beschaffen."

Nuriel überlegte eine Weile, bevor sie antwortete. Ihr entging nicht, dass auch der Rest der Kru still geworden war – Meppo hatte sich wieder seinen Prothesen zugewandt und Ronnée tippte eifrig etwas auf einem kleinen Display vor ihr ein, w?hrend Kekk den beiden Frauen lauschte, die Ohren aufgerichtet und das Kinn auf eine Hand gestützt.

?Oh? Sicher wird das auch in L?wenstein gehen. Ich denke, die Stadt wird genauso mit Flüchtlingen vertraut sein wie G?tterfels… Denn als genau das solltet Ihr Euch ausgeben. Was die Gilde angeht, kenne ich mich nicht aus, aber ich bin mir sicher, dass Ihr eine gute finden werdet, wenn Ihr Euch in L?wenstein etwas umh?rt. Bestimmt gibt es dort die ein oder andere Gilde, die sich auf gesuchte Banditen spezialisiert hat, und die k?nnten immer neue Leute gebrauchen. Davon bin ich überzeugt."

Es erschien Nuriel logisch, dass Silencia L?wenstein vorzog, denn die Entfernung war wesentlich geringer und die Stadt war au?erdem voller seltsamer Gestalten, sodass sie wom?glich nicht sonderlich auffallen würde. Nuriel selbst hatte G?tterfels vorgeschlagen, da es sich schlichtweg um die Hauptstadt der Menschen handelte und es ihr selbstverst?ndlich erschienen war, einen Menschen dorthin zu schicken. Sie hatte aber nichts gegen Silencias Vorschlag einzuwenden, auch wenn sie ehrlich keine besondere Anbindung zu den Gilden Tyrias hatte.


Da es im Labor der Asura nicht mehr viel zu besprechen gab und diese sich wieder ihrer Arbeit gewidmet hatten, waren die beiden Frauen nach L?wenstein aufgebrochen, um Silencia eine Identit?t zu besorgen. Als Nuriel hinter Silencia aus dem Portal in L?wenstein trat, drehte die Nekromantin sich zu ihr um, wobei sie kurzzeitig wieder ihr Gleichgewicht zu verlieren drohte, doch sie selbst schien dem keinerlei Beachtung zu schenken und nur ein Flimmern in ihren Augen war der Beweis dafür, dass tats?chlich etwas nicht stimmte. Portale schienen nicht die beste Reisewahl für die Menschenfrau zu sein, aber wer wusste schon, wie viel Zeit ihr ohnehin noch blieb? Gegenüber Silencia gab Nuriel sich zwar optimistisch, dass die Cybernetics-Kru mit ihrem Vorhaben Erfolg haben konnte… doch ein menschliches Herz synthetisieren? Und das vermutlich in sehr, sehr kurzer Zeit? Sie seufzte, winkte dem Torw?chter, der ein alter Freund von ihr war, und führte Silencia erneut durch die Stra?en L?wensteins. Nuriel war durchaus froh darüber, dass ihr asurischer Feind von seiner Schicht abgel?st worden war, sonst h?tte sie ihm erneut alles Schlechte an den Kopf werfen müssen, was ihr in den Sinn kam.

Diesmal führte sie Silencia jedoch nicht zu einem der Ausg?nge der Stadt, sondern zum Zentrum, durch enge, überfüllte Gassen, die mit W?scheleinen und Segeltüchern zugeh?ngt waren.

?Das Geld für die Portale werde ich Euch natürlich zurück geben, sobald ich welches habe. Aber Ihr wisst auch nicht, ob ich hier in L?wenstein auf eine Xunlai-Truhe zugreifen kann, oder?", fragte die Nekromantin.

?Für die Portale verlange ich nichts zurück. Seht es als Geschenk von mir an. Was die Truhen betrifft… Ich bin mir nicht sicher. Ich habe nie zuvor davon geh?rt, aber das schlie?t ihre Existenz nicht zwingend aus. Allerdings kann ich Euch keinen Anhaltspunkt geben…. Au?er, Ihr wisst, wo im alten L?wenstein sich die Truhen befunden haben?"

W?hrend Nuriel sprach, wurde ihr erst bewusst, wie seltsam diese Konversationen eigentlich waren, die sie mit der Menschenfrau führte. Und wie schnell sie es als selbstverst?ndlich ansah, über künstliche Herzen und emotionslose K?rper zu sprechen. Dazu hatte es nur einen einzigen freien Tag gebraucht.

Silencia blieb stehen und schien kurz nachzudenken. ?Ich war nur zwei Mal in L?wenstein. Ich meine mich entsinnen zu k?nnen, dass es einen Platz mit einem gro?en Springbrunnen gab und wenn man von dort aus Richtung Süd-Osten ging, gelangte man zum L?wentor und der Küste, weiter ?stlich waren die Anlegestellen für die Schiffe. Auf dem Weg zum Tor kam man an der Truhe vorbei. Ich bin mir sicher, dass dort auch ein oder zwei Statuen standen. Wenn davon noch etwas steht, dann w?ren die Truhen sicherlich aufgefallen; wenn mittlerweile alles zerst?rt ist, wird es schwer werden, den genauen Ort zu finden – wobei die Truhen dann sicherlich auch nicht mehr existieren."

Bei jedem anderen h?tte Nuriel so etwas wie Hoffnungslosigkeit oder Resignation erwartet, doch bei Silencia war sie lediglich erstaunt, dass sie sich die Details von vor so langer Zeit noch derart deutlich in Erinnerung hatte behalten k?nnen. Obwohl sie es versuchte, schaffte sie es nicht, das Beschriebene mit etwas zu verbinden, das ihr bekannt gewesen w?re, und dennoch konnte sie ein verschmitztes L?cheln nicht unterdrücken.

?Nun, in den letzten zwei Jahrhunderten ist L?wenstein mehr als einmal überschwemmt oder zerst?rt worden. Ich kann mich nicht entsinnen, je etwas gesehen zu haben, das mit Eurem Bericht vergleichbar w?re, aber ein Gro?teil des alten L?wensteins liegt mittlerweile unter dem Meeresgrund. Zwar gr??tenteils geplündert und in Ruinen, aber den Ort, von dem Ihr sprecht, k?nnte es durchaus noch geben. Und wenn niemand etwas mit Xunlai-Truhen anfangen kann, befinden sie sich wom?glich noch genau dort, wer wei??"

Nuriel quetschte sich an einem fetten Menschen vorbei, der stank, als h?tte er die letzten zehn Jahre seines Lebens ohne Pause in einer heruntergekommenen Kneipe verbracht. Was auch seinem Aussehen entsprechen würde. Der Mann grummelte und fuchtelte wild mit den Armen, die farbenfrohe Sylvari lie? sich davon aber keineswegs beeindrucken. Schnurstracks schl?ngelte sie sich weiter durch die Gassen, ab und zu einen Blick hinter sich werfend um sicherzustellen, dass Silencia auch noch hinter ihr war, bis die Gassen schlie?lich breiteren Wegen wichen, die hier und dort auch ein Stückchen des Hafens sichtbar werden lie?en, bis die beiden Frauen an einer recht breiten Wendeltreppe aus Stein zum Stehen kamen.

?Hier oben befindet sich das Kr?hennest." Meinte Nuriel, mit der Hand auf eine Reihe von Fenstern deutend, die in den steinernen Turm eingelassen waren. ?Obendrauf befindet sich eine wunderbare Kneipe, aber eine Etage tiefer trifft sich in regelm??igen Abst?nden der Kapit?nsrat. Und mindestens einer von ihnen ist eigentlich immer anwesend. Hoffen wir, dass es jemand ist, mit dem ich gut zurecht komme – das erh?ht Eure Chance auf eine reibungslose Registration erheblich."


Zielsicher lief Silencia durch die Stra?en L?wensteins in Richtung Osten, ohne ihrer Umgebung viel Aufmerksamkeit zu schenken – und die Leute, die sie passierte, beachteten sie ebenso wenig. Selbst eine leichenblasse Menschenfrau mit vernarbtem Gesicht war in einer Stadt wie L?wenstein kein v?llig fremder Anblick und die Nekromantin wusste das zu sch?tzen. Neugierige oder auch erschrockene, verachtende und angeekelte Blicke machten ihr nichts aus, das Gefühl der Scham war ebenfalls wie viele andere menschliche Züge nicht mehr Teil ihres Wesens, aber es vereinfachte die Kommunikation ungemein, wenn ihr Gegenüber durch ihr ?u?eres nicht verunsichert war.

Bald hatte sie das Portal erreicht zu dem sie wollte, es befand sich in einer gro?en H?hle und bildete den ?bergang in die Zittergipfel. Nuriel hatte ihr gesagt, dass sie die Abtei Durmand quasi gar nicht verfehlen konnte, wenn sie durch das Portal ging und sich südlich hielt. Da Ronnée bei ihrer ersten Begegnung von Ogden Steinheiler, dem versteinerten Zwerg, erz?hlt hatte, hatte Silencia beschlossen, sich zuerst dorthin zu begeben. Ogden konnte ihr m?glicherweise in mehrerlei Hinsicht helfen, immerhin wusste er wirklich, wie die Welt sich in den letzten 250 Jahren ver?ndert hatte und war beinahe wie ein lebendes Relikt aus einer früheren Welt.

Silencia erhoffte sich sowohl Informationen über den Verbleib der Xunlai-Truhen als auch über eine M?glichkeit, sich als Botin oder S?ldnerin zu verdingen, allerdings würde Letzteres erst m?glich sein, wenn sie wieder über Waffen verfügte. Ihre Rüstung trug sie noch am K?rper, aber all ihren restlichen Besitz (der über einige Waffen, Materialien und etwas Geld kaum hinausging), hatte sie in ihre Truhe gelegt, bevor sie die Unterwelt betreten hatte.

Die gro?en Hallen der Abtei waren tats?chlich schwer zu übersehen und als Silencia die Treppen hinaufgestiegen war und sich nach jemandem umsah, der augenscheinlich zur Abtei geh?rte, sah sie eine einzelne Asura, die mit grimmigem Blick und angelegten Ohren den Boden mit einem Besen bearbeitete – sie war offensichtlich sehr aufgebracht und fuchtelte mehr mit dem Besen herum, als dass sie wirklich fegte. Ohne zu z?gern trat die Nekromantin auf sie zu.

?Hallo, mein Name ist Silencia Cassandra. Ich bin hier, um mit Ogden Steinheiler zu sprechen."

Die Asura bedachte sie lediglich mit einem abf?lligen Schnauben und als sie sich vollst?ndig zu ihr umdrehte, konnte Silencia ihre tiefroten Augen sehen, die sie noch wütender erschienen lie?en. ?So? Das k?nnt Ihr Euch direkt wieder aus dem Kopf schlagen; wir sind kein Museum." Damit drehte die Asura sich wieder um und fing erneut an, den Boden zu fegen. Silencia blickte gleichgültig auf die Asura herab. ?Nein, Ihr seid die Abtei Durmand und ich bin keine Schaulustige, sondern eine alte Weggef?hrtin von Ogden Steinheiler."

Wieder entfuhr der Asura ein Schnauben. ?Alte Weggef?hrtin, ja? Der Zwerg ist l?nger bei der Abtei als jedes andere lebende Mitglied und ich wüsste nicht, dass ich Euch hier schon einmal gesehen h?tte. Wenn Ihr Euch also keinen ?rger einhandeln wollt, verzieht Ihr Euch besser. Jetzt. Haut ab!" Bei den letzten Worten war die Stimme der Asura schrill und laut geworden und ihre Worte hallten zwischen den hohen Mauern der Abtei wider.


Connor schlenderte durch die Hallen der Abtei. Seinen kleinen, gedrungenen K?rper hatte er in einen dicken Zobelmantel gewickelt, um sich vor der K?lte der Zittergipfel zu schützen, dennoch bildete sein Atem noch immer kleine, fast unscheinbare W?lkchen. Der teure Mantel mochte zwar seinen K?rper weitgehend verdecken, dennoch war selbst von weitem zu erkennen, dass Connor wohl einer der h?sslichsten Menschenm?nner in ganz Tyria sein mochte. Er selbst st?rte sich keineswegs daran, in Gedanken versunken zeigte er sein schiefes L?cheln und entbl??te eine Reihe gelber Z?hne, die in den unterschiedlichsten Gr??en, Zust?nden und Abst?nden seinen Mund zierten. Dicke Pickel und Aknenarben bedeckten au?erdem sein Gesicht und gaben ihm ein bubenhaftes Aussehen, obwohl seine Augen leuchteten wie die eines alten Weisen. Er hatte gerade eine leise Melodie angestimmt, als eine Frauenstimme ihn pl?tzlich aufhorchen lie? – und gerade, als er um die n?chste Ecke bog, sah er eine ihm allzu vertraute Asura und eine Menschenfrau, die ihm zwar nie begegnet war, dafür aber ?u?erst interessant schien.

Schmunzelnd deutete er eine Verbeugung an. ?Na, Eddda-Schatz, was seid Ihr nun wieder am zetern? Wen habt Ihr denn da angelockt?" Das zuckersü?e L?cheln, das er den beiden Damen schenkte, h?tte in jedem anderen Gesicht die Frauenherzen zum Schmelzen gebracht; bei Connor jedoch wirkte es lediglich bizarr. ?Warum fegt Ihr denn noch immer diesen d?mlichen Flur! Langsam aber sicher gehen uns die Besen aus, bei der Behandlung, die sie durch Euch erfahren."

Die Asura wirbelte herum und sah erbost zu Connor auf. ?Magistra Sieran hat mich zum Fegen verdonnert, weil ich angeblich den Flüssigkeits-Diskretisierer demoliert habe. Aber das Teil war schon vorher kaputt, mein Fu?tritt sollte es nur wieder zum Laufen bringen!"

Jetzt bemerkte Connor in einigen Metern Entfernung auch einen Haufen kleiner Teile, der neben dem verbeulten Ger?t lag, von dem Eddda sprach. Es war bereits das dritte in dieser Woche, und Connor musste diesen Gedanken nicht aussprechen, um einen weiteren b?sen Blick von der Asura einzufangen.

?Diese Menschenfrau behauptet Steinheiler zu kennen und will ihn sehen." Erkl?rte Eddda mit genervtem Unterton, und ihr Blick wanderte kurz zu der anderen Frau, bevor er sich wieder auf Connor richtete und ihm zuraunte: ?Wenn Ihr mich fragt, ist ihr eine Rekursionsschleife durchgebrannt."

Ohne auf diese offensichtliche Beleidigung einzugehen, erhob nun die Menschenfrau das Wort und ignorierte Eddda dabei vollkommen. ?Das Stimmt, ich m?chte zu Ogden Steinheiler. K?nnt Ihr mich zu ihm durch lassen?"

Connor, der noch immer ein wenig Mitleid mit dem Schrotthaufen hatte, verschwendete noch einen kurzen Gedanken daran, wer den n?chsten Diskretisierer bezahlen sollte, und sah dann schmunzelnd zu der Menschenfrau. Wobei er unglaublich h?sslich, aber doch auf eine ganz besondere Art und Wiese liebenswürdig aussah.

?Steinheiler?" Er schüttelte den Kopf. ?Der Zwerg verl?sst nicht oft seinen geheimen Bereich. Und wenn, kommt kaum einer an ihn heran. Ich wei? nicht, ob wir Euch wirklich helfen k?nnen…"

Entschuldigend zuckte er mit den Schultern, zog den Zobelmantel etwas enger um sich und starrte dann abwechselnd zu der Frau und Eddda, als er erkannte, dass die Frau noch immer dort stand und nicht bereit zu sein schien, einfach zu gehen.

?Dass Sieran auch immer so unwürdige Arbeiten zu verteilen hat!" Versuchte er, die angespannte Situation etwas zu entsch?rfen, ?Jaja, mich hat sie vor einigen Wochen die Feuerstellen reinigen lassen. Die Feuerstellen! K?nnt Ihr Euch vorstellen, wie mein Anzug danach ausgesehen hat?"

?Ich denke nicht, dass er wei?, dass ich noch hier bin. Genauso wenig wie ich wusste, dass er noch lebt." Meinte die Menschenfrau dann, und brachte Connor damit aus dem Konzept.

?Aber unabh?ngig davon suche ich nach Arbeit; welcher Art ist im Grunde egal, solange sie bezahlt wird. Wenn Ihr also noch jemanden braucht, der Boteng?nge übernimmt, Lagerbest?nde erfasst – oder auch Feuerstellen sauber macht – dann würde ich mich zur Verfügung stellen."

Eddda kommentierte dies nur mit einem Schnauben und machte sich daran, die Einzelteile des Diskretisierers weiter zu einem Haufen zu fegen. Seine kleinen Augen so weit wie m?glich ge?ffnet, starrte Connor die Frau an. ?Was soll denn bitte passiert sein, dass er noch lebt? In den letzten Jahren ist doch nichts passiert, das die Abtei gef?hrdet h?tte – oder?"

Bei den letzten Worten warf er hilfesuchend Eddda einen Blick zu, als k?nnte die Asura mit ihrem Wissen ihm etwas auf die Sprünge helfen. Als diese ihn gnadenlos ignorierte, zuckte er die Schultern und vergrub die H?nde in den Taschen seines Mantels. ?Arbeit gibt es hier allerdings zu genüge; sicherlich würde meine liebe kleine Eddda hier gerne ihre Arbeit an Euch abtreten! Sprecht mit Magistra Sieran, sie wird Euch bestimmt weiterhelfen k?nnen. Wenn Ihr wünscht, bringe ich Euch zu ihr."

Mit einem lauten Knall, der Connor zusammenzucken lie?, pfefferte Eddda den Besen schlie?lich in eine Ecke und wirbelte damit nur Unmengen von Staub auf. Scheinbar hatte sie beschlossen, mit dem Fegen fertig zu sein; dennoch war das kein Grund dafür, solch einen L?rm zu fabrizieren, der in Connors Ohren schmerzte.

?Ihr wisst nicht zuf?llig, wo der Wiederverwert-O-Mat der Abtei gerade steht, oder?" fragte die L?rmverursacherin schlie?lich mit unschuldigem Ton, aber in ihren Augen flackerte noch immer Aggressivit?t.

Da er seine kleine Freundin durchaus kannte und solche Reaktionen gewohnt war, verkniff Connor sich einen beleidigten Kommentar, entschuldigte sich stumm bei seinen Ohren und murmelte ?hinten rechts, zweite Putzkammer. Alfey hat ihn das letzte Mal irgendwo bei dem Altpapier abgestellt – als k?nnte er die vergammelten Schriftrollen damit noch irgendwie retten." Er schüttelte leicht den Kopf und straffte dann seine Schultern, als ein ?Gut, dann m?chte ich mir Magistra Sieran sprechen" von der Menschenfrau zu ihm drang. Der Mann nickte. ?Dann folgt mir. Es ist nicht weit bis zu ihren Kammern, und wenn sie dort nicht ist, finden wir sie sicher in der Bibliothek."

?Wenn Ihr zu Sieran geht, k?nnt Ihr ihr einen sch?nen Gru? von mir ausrichten – noch so eine Aufgabe und ich ziehe ihr mit dem Kubus-Detonierer einen neuen Scheitel zwischen ihre Bl?tter!" Schrie Eddda ihnen noch hinterher, als Connor und die Frau sich in Bewegung setzten.

?Den k?nnte sie vielleicht gebrauchen." Erwiderte Connor mit einem Grinsen, das all seine schiefen und verf?rbten Z?hne entbl??te, doch dann hielt er sich die Hand vor den Mund und kicherte wie ein kleiner Junge. ?Aber erz?hlt ihr nicht, dass ich das gesagt habe!" rief er der Asura noch hinterher, w?hrend sie im Gang verschwand.

?Sierans Quartier befindet sich unten, gleich neben der gro?en Bibliothek. Wenn sie dort anzutreffen ist, wird sie sicherlich für ein Gespr?ch zu haben sein." Von den anf?nglichen Worten der Frau irritiert, setzte Connor mehrfach dazu an, noch mehr zu sagen, schaffte es allerdings erst nach mehreren Ans?tzen, seine Gedanken auszusprechen. ?Wenn… Wenn Ihr Ogden noch aus alten Zeiten kennt… Wie alt seid Ihr dann, wenn ich fragen darf?"

Er bemerkte, dass sich der Schritt seiner Begleiterin etwas verlangsamte, ehe sie wieder zu ihm aufschloss. ?Eine exakte Antwort kann ich Euch darauf nicht geben, aber ich habe den Zwerg kennen gelernt, bevor er zu Stein wurde." Es folgte ein kurzes Schweigen, bevor sie wieder das Wort ergriff. ?Wieso fragt Ihr nach meinem Alter? Ich dachte, Ihr würdet mir nicht glauben, als ich sagte, dass ich Ogden kenne."

Etwas unsicher warf Connor einen Blick über die Schulter, ohne jedoch seinen Schritt zu verlangsamen. ?Ich wei? noch nicht so recht, was ich glauben soll. Deshalb bringe ich Euch zu Sieran. Ich bin mir sicher, sie kann mehr Licht ins Dunkel bringen als ich das vermag." Er zuckte die Schultern, obwohl seine Begleitung es nicht sehen würde. Die Frau war ihm ein wenig unheimlich, weil sie ganz und gar nicht so war wie die anderen Frauen, die er kannte. Nicht, dass er besonders viele n?her kennen lernte, aber dennoch.

Deshalb beschleunigte er etwas seinen Schritt, bog rechts ab und führte die Frau den langen Gang entlang, bis sie zu einem gro?en, runden Raum kamen, in dem mehrere Treppen nach unten führten. Das gewaltige an diesem Raum jedoch war, dass in der Mitte eine enorme Lichts?ule die Abtei erhellte und umschwirrt wurde von unz?hligen Steintafeln, die mit Runen unterschiedlicher Schriften übers?t waren. Ein unwirkliches Surren erfüllte den Raum, und einige Mitglieder der Abtei standen bewundernd um dieses Konstrukt herum, doch Connor schenkte dem, was allgemein als das Herz der Abtei bekannt war, keine gro?e Aufmerksamkeit. Er hatte dieses Wunder einfach schon viel zu oft gesehen und studiert, sodass es ihm nur noch halb so magisch schien, und so hielt er zielstrebig auf die hinterste Treppe zu.

?Ihr k?nnt auch Steinheiler fragen, ob ich die Wahrheit sage." Meinte die Frau nach einem R?uspern, jedoch ohne dabei fordernd zu klingen und folgte Connor dabei die Treppe hinunter.

Connor schnaubte. ?Nun, aber Steinheiler ist ein recht besch?ftigter Zwerg. Wie Ihr eigentlich schon erfahren haben müsstet, ist es nicht allzu einfach, zu ihm durchzudringen. Dafür ben?tigt Ihr die Hilfe Sierans. Ich bringe Euch nur zu ihr, danach liegt es an Euch, sie zu überzeugen."

Einige Spinnenweben blockierten den Weg und Connor fuchtelte nerv?s, um die klebrigen F?den von seinem Gesicht abzuschütteln. Wenn er etwas nicht mochte, dann waren es Spinnen, und eine G?nsehaut überzog seinen gesamten K?rper, begleitet von einem K?lteschauder. Entsetzt sah er sich um, um die dazugeh?rige Spinne zu finden, und klopfte kurz seinen Mantel aus, nur um sicherzugehen. Er schüttelte sich und atmete tief durch, um sich zu sammeln, auch wenn er nicht sagen konnte, ob das Unwohlsein ausschlie?lich von der Spinne kam oder auch von der Anwesenheit der seltsamen Frau.

Als er sich wieder gefangen hatte, führte er seine Begleiterin durch einen schmalen, sehr hohen Gang, an dem rechts zahlreiche Türen abgingen, von denen die meisten allerdings geschlossen waren. Auf der linken Seite konnte man in regelm??igen Abst?nden Tore entdecken, die allesamt offen standen und den Blick freigaben auf eine gewaltige Bibliothek, die von zahlreichen Schülern und Gelehrten besucht wurde. Connors Ziel jedoch war eine einfache Holztür recht weit hinten am Gang, und z?gerlich klopfte er und trat dann einen Schritt zurück, um auf eine Reaktion zu warten.

W?hrend die beiden auf eine Reaktion warteten, stie? Connor einen langen Atemzug aus und stellte sich vor, wie der kalte Atem der Frau hinter ihm seinen Nacken streifen würde. Aber es kam nichts dergleichen, und überhaupt konnte Connor, jetzt da er sich darauf konzentrierte, keinerlei Atemger?usche von ihr wahrnehmen. Als seine H?rchen sich langsam aufstellten und er vorsichtig den Kopf drehte, sah er tats?chlich, dass sich der Brustkorb der Frau nicht ein einziges Mal hob oder senkte. Sein Atem hingegen beschleunigte sich und er trat einen Schritt von ihr fort, w?hrend er sich fragte, wer bei den G?ttern da bei ihm stand – oder was. Er ?ffnete den Mund, um diesbezüglich eine Frage zu stellen, doch wurde in diesem Moment die Tür ge?ffnet und ein überraschtes Augenpaar, das zu einer gro?en Sylvari geh?rte, musterte die beiden Besucher.

?Oh, Letho! Was führt Euch" – dabei zuckte ihr Blick auch zu Silencia – ?zu mir?"

Connor suchte noch nach den richtigen Worten, doch die Frau war schneller. ?Mein Name ist Silencia Cassandra. Ich bin auf der Suche nach einem alten Bekannten, sein Name ist Ogden Steinheiler. Und unabh?ngig davon suche ich auch nach Arbeit." Dabei sah sie kurz zu Connor und schien darauf zu warten, dass er etwas hinzufügte. Er r?usperte sich.

?Und meine Aufgabe war es lediglich, Silencia-" immerhin hatte er jetzt einen Namen für seine seltsame Begleitung – ?zu Euch zu bringen. Das habe ich hiermit getan."

Froh darüber, wieder zu seiner normalen und überhaupt nicht gruseligen Arbeit zurückkehren zu k?nnen, machte Connor sich bereit zum Aufbruch. Dabei sah er noch einmal über die Schulter und erg?nzte: ?Oh, und ich soll Euch von Eddda ausrichten: Noch so eine Arbeit, und sie verpasst Euch einen neuen Haarschnitt!"

Er grinste mit seinem lückenhaften Grinsen kurz zur Sylvari, warf dann Silencia noch einen kurzen Blick zu und machte sich auf den Weg nach oben. Als Silencia keine Anstalten machte, das Zimmer zu betreten, blieb er au?er Sichtweite Sierans stehen und wartete.

?Dieser Mensch…" H?rte er Sieran noch mit einem Kichern sagen, ?Ogden Steinheiler? Soso. Dann müsst Ihr ja eine sehr interessante Geschichte zu erz?hlen haben. Kommt rein und berichtet mir, und dann werde ich entscheiden, ob ich Ogden von Eurem Besuch berichte. Und ob ich Arbeit für Euch habe."

Kopfschüttelnd zog er seinen Mantel um sich und verlie? die unteren Hallen der Abtei, um sich endlich wieder der Normalit?t zuzuwenden.